Cotta’sches Archiv

„Eberle, die Sach hend ihr guat gmacht.“ Die initiale Mitwirkung des bei der Stiftungsübergabe bereits verstorbenen Schairer verdient erinnert zu werden.

Anfang der fünfziger Jahre hatten sich die Inhaber des ehemals bedeutenden Cotta-Verlags – einst Verlag der deutschen Klassik und Nachklassik, damals nur noch ein Schatten seiner selbst – gezwungen gesehen, sich von ihrem Handschriftenarchiv zu trennen. Von unschätzbarem Quellenwert umfasste es über 100.000 Briefe, darunter hunderte von Goethe und Schiller, von Wieland, Kleist, Fichte, Schelling, Hegel, Wilhelm und Alexander von Humboldt, von Uhland, Mörike und Fontane, rund 600 Manuskripte und Druckvorlagen, 150 Pakete mit Korrekturabzügen und Verlagsverträgen. Von den Veräußerungsabsichten hatte Schairer bereits 1950 erfahren, und als die Frage 1952 akut wurde, konnte er Eberle überzeugen, dass die „Stuttgarter Zeitung“ aus ihren Überschüssen 200.000 DM für den Erwerb des Archivs bereitstellen sollte, um es vor der Zerstreuung durch Einzelverkäufe zu bewahren. Zwei Jahre später ergänzten sie das Handschriftenarchiv um das Cotta’sche Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenarchiv. Ein solches „nobile officium“ konnte sich von vornherein nur treuhänderisch verstehen, und es bot sich an, dieses „Pantheon“ (Theodor Heuss) dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach als Leihgabe anzuvertrauen. 1962 – sechs Jahre nach Schairers Tod – wurden die Archive in eine Stiftung umgewandelt und gingen ins Eigentum des Museums über. Zugleich bildeten sie den Grundstock für den Aufbau des Deutschen Literaturarchivs Marbach.

Dass Schairer und Eberle gemeinsam […] die Cotta-Archive für die Öffentlichkeit sicherten, könnte an einen Gleichklang zwischen zwei Dioskuren denken lassen. In Wirklichkeit jedoch trübten Spannungen und Missstimmungen das gegenseitige Verhältnis. Schon rein physisch der Robustere, setzte sich Eberle in vielen Fragen durch, und da er Schairer um drei volle Jahrzehnte überlebte, boten sich ihm ungleich mehr Gelegenheiten, als eigentlicher Herausgeber der „Stuttgarter Zeitung“ und Urheber der Cotta-Stiftung im Gedächtnis zu bleiben.

Bereits 1961, als Alt-Bundespräsident Theodor Heuss anlässlich der Übergabe ans Schiller-Nationalmuseum die Festrede hielt und schloss: „Eberle, die Sach hend ihr guat gmacht“, wurde Schairers initiale Mitwirkung großzügig übergangen.

Quelle: Artikel über Erich Schairer von Manfred Bosch in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, hrsg. von Gerhard Taddey und Rainer Brüning, S. 439

Zitat von Martin Hohnecker hierzu:

„Seine „beste Leistung“ nannte er (J. Eberle) nicht Leitartikel wie „Ave Regina“ zur Begrüßung der britischen Königin Elizabeth. Nein, das Beste sei 1952 der Kauf des Cotta-Archivs gewesen.

Der Witz daran: Partner Erich Schairer, eine sprachpuritanische Vaterfigur, hatte ihn zu dieser Investition überreden müssen. Doch als aus der Leihgabe an das Schiller-Nationalmuseum eine Schenkung wurde, lebte Schairer nicht mehr, und das Lob von Bundespräsident Heuss gehörte einem allein: „Eberle, die Sach hend Ihr guet gmacht!“ Den Professorentitel ehrenhalber nahm er, die eigene Eitelkeit mild ironisierend, an. Fortan ließ er sich von der Redaktion mit „Herr Professor“ titulieren.“

Quelle: Stuttgarter Zeitung, Samstag, 17. September 2005 – SECHZIG JAHRE STUTTGARTER ZEITUNG