Das Luftschiff

Zeppelin

— Jg. 1929, Nr. 36 —

Während ich diese Zeilen schreibe, legt das Luftschiff „Graf Zeppelin“ den letzten Teil seiner Weltreise zurück. Wenn ihm das Glück treu bleibt, wird es wohlbehalten in Friedrichshafen landen, sein Führer Dr. Eckener wird drei Tage lang in dem Gefühl schwelgen können, der gefeiertste Mann in Deutschland zu sein, und gewisse unserer Volksgenossen werden sich furchtbar darüber entrüsten, daß die begeisterten Amerikaner aufgrund dieser Leistung des deutschen Volkes nicht zum mindesten die sofortige Annullierung des Young-Planes betreiben. Nur die eine Frage wird jetzt noch seltener gestellt werden als je: hat der Luftschiffbau überhaupt eine Zukunft?

Auf die Gefahr hin, als Nörgler und Schwarzseher betrachtet zu werden, muß ich diese Frage auch nach der neuesten Rekordreise verneinen. Ich denke nicht daran, die Erfindung des Grafen Zeppelin zu verkleinern oder die Leistungen der Erbauer und der Führer des jüngsten oder der früheren Luftschiffe herabzusetzen. Aber die Erfindung des lenkbaren Luftschiffes ist von einem Schicksal ereilt worden, das auch schon andere vortreffliche Erfindungen getroffen hat: sie ist mitten in ihrer Entwicklung von einer besseren überholt worden, von der des Flugzeuges. Ein kurzer Vergleich soll das nochmals klar machen:

1. Luftschiffe von der Bauart des ,,Grafen Zeppelin“ sind, zumal für deutsche Verhältnisse, außerordentlich teuer. Was ein solcher Koloß eigentlich kostet, haben wir nie genau erfahren. Auf jeden Fall lassen sich für die aufgewendete Millionensumme Dutzende von recht stattlichen Flugzeugen bauen. Diese sind imstande, Hunderte von Fahrgästen zu befördern, und zwar mit einer Besatzung von wenigen Leuten. Der Flugriese dagegen faßt bekanntlich kaum zwanzig Reisende, für die ein Stab von rund 50 Mann Besatzung notwendig ist. Schon aus diesem Grunde muß das Luftschiff immer ein ausgesprochenes Luxusfahrzeug bleiben.

2. Das moderne Metallflugzeug ist ein ziemlich widerstandsfähiges Ding. Es läßt sich in jedem Schuppen unterbringen, kann fast ohne fremde Hilfe starten und auf jedem Sturzacker landen. Es hat sich von Wind und Wetter in staunenswertem Maße unabhängig gemacht. Benzin und Öl, seine einzigen Betriebsstoffe, sind in den Kulturländern in jedem Dorfe zu haben. Der unbeholfene und zerbrechliche Luftriese braucht zu seiner Unterbringung ungeheure, kostspielige Hallen, die womöglich noch drehbar sein sollen. Start und Landung sind nur bei ganz günstiger Witterung möglich und erfordern auch da Hunderte von geschulten Mannschaften und dementsprechend riesige Flugplätze. Geradezu ans Kindesalter der Technik erinnert der Zwang, vor jeder Landung erhebliche Mengen des teuren Füllgases einfach in die Luft zu blasen.

3. Wer auch auf der Luftreise Bequemlichkeit und Eleganz wünscht, kommt in einem modernen Großflugzeug ebenso gut auf seine Rechnung wie im Luftschiff. An Schnelligkeit bleibt der Zeppelin hinter größeren Flugzeugen zurück. Nicht einmal an Fahrsicherheit übertrifft er das moderne Flugzeug. Eine Reise über den Ozean ist vorerst für beide noch ein Wagnis. Der einzige Vorzug, den ich gegenwärtig noch am Luftschiff entdecken kann, liegt in seinem größeren Aktionsradius. Aber ehe der Luftschiffbau dazu gekommen sein wird, diesen Vorteil mehr als ein paar Dutzend bevorzugter Zeitgenossen zugute kommen zu lassen, wird ihn vielleicht das Flugzeug auch hierin überholt haben.

Diese Überlegungen, die sich ja von Jahr zu Jahr stärker aufdrängen, müssen natürlich auch schon in Friedrichshafen angestellt worden sein. Was treibt die Herren dazu, so unentwegt ihre Kuren an dem toten Patienten fortzusetzen? Neben der Furcht vor dem „Abbau“ vor allem ein Gespenst, das auch sonst im deutschen Lande genug Unheil anrichtet: die Tradition, die um jeden Preis fortgesetzt werden muß.

Ich bin neugierig, was Dr. Eckener, der unbestrittene Reklame-Weltmeister, anstellen wird, wenn auch die Begeisterung über seine neueste Leistung abgeflaut sein wird. Nun, es ist seine Sache. Ich glaube es aber trotz meiner 40 Jahre bestimmt noch zu erleben, daß man, wenn nicht schon mit diesem, dann aber mit einem der nächsten Luftschiffe das tun wird, was man mit einem wohlerhaltenen Kadaver eben noch tun kann: ausstopfen und ins Museum stellen.

1929, 36 Gerhard Ott