Der zahme Adolf

— Jg. 1927, Nr. 20 —

Der staatenlose Maler Hitler laboriert immer noch an dem Nimbus herum, den er einmal in einer aufgeregten Zeit so en passant erworben hat. Vor einem Jahr hat er sich bemüßigt gefühlt, so etwas wie Erinnerungen von sich zu geben, aber ein Buch ist keine Radauversammlung, man merkt da selbst den breitspurigsten Redensarten an, auf wie schlechten Füßen sie einherhumpeln. Augenblicklich blüht neues Leben aus den nationalsozialistischen Ruinen. Herr Hitler redet und redet, wo man es ihm nur erlaubt. Neulich hat er auch in Stuttgart geredet. Zwei und eine halbe Stunde. Ach, war das ein Geseires! Wie der Mann zu seinem Ansehen gekommen ist, möchte ich auch wissen! Er hatte sich zur nötigen Dekoration malerische Gruppen aus dem ganzen Württemberger Ländle kommen lassen, selbst aus Bayern und Baden waren sie mit ihren neckischen Hakenkreuzfähnchen angerückt. War ein Mordsklamauk. Es ist ja so wenig, was Kinder freut! Als der große Adolf das Podium bestieg, brach die ganze Korona in ein Geheul aus, das ihrer arischen Abstammung alle Ehre machte. So also sieht eine Mussolinikopie aus! Ein in die Politik verirrter Friseur stand da oben und mühte sich, so gut es ging, Zusammenhänge sichtbar werden zu lassen. Gott, was muß der Mann alles zusammengelesen haben, bis sich dieser semmelblonde Brei ergeben hat! Sicher hat er sich tief, tief in alle erreichbaren Probleme hineingekniet, hat sich bis in die Biologie hineinverirrt, hat Bände um Bände gewälzt; da muß einer ja irre werden. Eines war herauszumerken: unbelehrbar ist der Mann nicht; nur dauert es ein bißchen lange, bis er hinter etwas kommt. Heute allmählich hat er kapiert, daß mit Gewalt und Terror sehr wenig zu machen ist; wenn die Hälfte des Volkes aus unbelehrbaren Marxisten und solchen Brüdern besteht und die andere aus miesen Nationalisten, dann fällt selbst Hitlers arisches Mannenherz in die Buxen. Dann wird auch der rabiate Adolf zahm wie ein Deutschdemokrat. Weil es also wie bisher nicht geht, hat ers mit jenem Optimiesmus, den jede pleite gegangene Bewegung kurz vor ihrem seligen Ende noch am Grabe aufpflanzt. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß es hier, entsprechend der ruhmreichen Vergangenheit, ein großschnäuziger Optimiesmus ist. Unser Hitler glaubt nämlich, daß sich die nationalsozialistische Bewegung von Jahr zu Jahr verdoppeln werde. In etwa 10 Jahren werden wir also ein einig Volk von Nazi-Sozi sein. Ein schöner Traum! Wenn diese Verdoppelung nur nicht jeweils durch Spaltung vor sich geht. So was kommt manchmal vor.

1927, 20 hm