Deutsches Gespräch

— Jg. 1925, Nr. 18 —

Hallo, sieht man Sie auch mal wieder? Wie geht’s? Wie steht’s? Machen Se Geschäfte? … Die heutigen Zustände, meinen Sie. Nun ja, politisch, aber sonst … Sie verstehn mich schon. Bringt sich natürlich kaum durch … Ober, die Weinkarte! … Eine verfluchte Schweinerei heute auf der Straße; die Leute sind wie toll … Was sagen Sie? Ach so, das Reichsbanner! Einfach verbieten. Frechheit das, wie die sich auf einmal großtun … Meine Frau hab‘ ich ein bißchen an die Riviera geschickt, verträgt das naßkalte Wetter nicht … Wie? Hindenburg soll weniger Stimmen haben als dieser Marx! Undenkbar! Ich sage Ihnen, ganz unmöglich. Warten Se ab! … Hoffentlich tun sich die Kommunisten nicht zu dicke. Ein wenig Klamauk schadet ja nich; gibt immer nette Gelegenheiten zu kleinen Machtproben … Sehen Se nur mal die Blonde da drüben … Nein, am dritten Tisch. Kesses Weib, was? … Der Niedner hat sich gar nicht schlecht gehalten, da kürzlich in Leipzig … Die Kerle gehören ja alle an die Wand gestellt … Warum man mit diesen Verbrechern so viel Umstände macht? Fragen Se doch die schlappe Regierung in Berlin … Was gröhlen die nun bloß wieder da draußen? … Die Internationale? Daß diese Leute auch gar kein Nationalgefühl haben. Da plagt man sich für dieses Pack ab, um Deutschland wieder flott zu machen, und was tun se? … Manchmal ist einem das alles bis da … An dem letzten Posten Jute hab‘ ich übrigens ganz nett verdient … Wenn diese Angestellten nur einen endlich mit ihren ewigen Lohnforderungen verschonen wollten … Sie, halt, was ist das, Hindenburg hat die Mehrheit? Geben Se so’n Wisch her … Na, Gott sei Dank. Was hab‘ ich Ihnen gesagt? Endlich mal ’n Lichtblick … Daß ich’s nicht vergesse, wollen Se morgen abend nich mitkommen in die Oper, ich hab‘ noch ein Billet … Wie, Sie verstehen nicht viel davon? Ich auch nicht, aber Gott man muß sich doch mal wieder zeigen. Sonst geht immer meine Frau hin mit dem Lachwitz. Schneidiger Kerl, was? … Ist natürlich immer noch bei der Reichswehr; „zuverlässiger“ Republikaner … Na, hören Se; Sie werden nicht klug aus ihm? Der ist doch zuverlässig, auf den können wir uns doch verlassen … Ober, nu lassen Se mal ’n nationales Stück spielen … Das mit ‚m Hindenburg war gar kein schlechter Einfall. Fabelhaft militärisches Auftreten. So was zieht immer noch, trotz dieser Republik. Wir können doch nich ewig auf dem Bauch rutschen. Denen werden wirs schon noch zeigen … Aufstehen, das Flaggenlied! Sehen Sie, das sind Augenblicke … Was? Der Kerl da drüben bleibt sitzen? Raus mit dem Halunken! Jedenfalls einer von auswärts. Na, der ist aber geflogen … Ober, Ober … Da sitzt man nu eine Viertelstunde bei leeren Gläsern … Aber Se wollen doch im Ernst nicht schon gehen? Trinken Se noch ein Fläschchen mit … Ach so, Se wollen noch da rüber ins Kabarett! Ist denn was los da? … So, tolle Nummer? Ach nein! Dann komm‘ ich natürlich mit … Die Ragetti ist da? Sie, das ist doch nicht die, wo früher im Odeon aufgetreten ist? … Die ist’s? Warum haben Se das bloß nich früher gesagt? … Ist denn auch ’n guter Komiker da? Wissen Se, so einer mit politischen Pointen. Na, wie der neulich im Trocadero den Ebert veräppelt hat, ich kann Ihnen bloß sagen, ich hab‘ mich schief gelacht … Wissen Se, das mit dem Barmatstunk hat nun auch ein Ende. Ist ja ’ne Schande. Heut‘ kann ja jeder Ostjude einem die besten Geschäfte wegschnappen … Hindenburg wird schon ausmisten … Wegen den Amerika-Krediten haben Se Angst? … Na, die Kerls sind ja momentan etwas belämmert, aber nur recht forsch aufgetreten, dann werden diese Newyorker Juden schon Respekt bekommen … Bin gespannt auf die Ragetti. Die Blonden haben mich von jeher verrückt gemacht … Und jetzt, wo der Hindenburg, meinen Sie? Natürlich, da kann man sich mal ’n vergnügten Abend leisten … Da sind wir ja schon. Ich glaube die spielen eben das Deutschlandlied! … Na, da kommen mer ja gerade recht … 

1925, 18 · hm