Durchlaucht wünschen…

— Jg. 1928, Nr. 24 —

Geld natürlich. Und wofür? Das zu erklären geht nicht ohne eine kleine historische Abschweifung.

Einer Reihe von deutschen Fürsten hat Napoleon I. ihre Souveränität genommen. Dafür hat sie im Jahre 1815 der König von Preußen entschädigt, indem er ihnen eine Art Halbsouveränität, die „Standesherrlichkeit“, verlieh. Sie bestand aus Ehrenrechten (Adel, Titel und Wappen, Kirchengebet, Landestrauer etc.), Hoheitsrechten (Verwaltung der direkten Steuern, Gerichtsbarkeit, Aufsicht über Kirchen und Schulen) und finanziellen Rechten (Freiheit von Personalsteuern, Brückengeldern etc.). Diese Vorrechte sind den Standesherren 1848 und später teils einfach genommen, teils durch Renten abgelöst worden.

Die sogenannte Revolution im November 1918 übernahm, deutsch und — treu — wie sie war, mit dem Staat auch dessen Verpflichtungen, den diversen durchlauchtigsten Standesherren jährlich so und so viel Mark zu bezahlen, weil hundert Jahre vorher der König von Preußen es nicht übers Herz gebracht hatte, seine von Napoleon abgesetzten Kollegen im Bürgertum (heute würde man sagen: im Proletariat) versinken zu sehen. Die revolutionären preußischen Regierungen nach 1918 zahlten also. Nur gegen Ende der Inflation, als die Mark wie von Raketen getrieben dem Nullpunkt ihres Wertes entgegensauste, stellten sie die Zahlungen teilweise ein.

Als dann 1923 und 1924 die Mark und die Gemüter sich wieder beruhigten, meldeten sich die Standesherren. Die Durchlauchtigsten wünschen … Geld natürlich. Und der preußische Staat benahm sich nobel wie ein Kavalier. Er erklärte sich bereit, die Renten weiter zu bezahlen und zwar wegen der verminderten Kaufkraft des Geldes mit einer Steigerung bis zu 50 Prozent, außerdem die während der Inflation geleisteten wertlosen Zahlungen mit 12,5 Prozent aufzuwerten.

Die Standesherren waren aber damit nicht zufrieden und gingen vor Gericht. Der Herzog von Arenberg, der Fürst zu Salm und der Fürst zu Salm-Horstmar z.B. klagten vor dem Landgericht Münster auf Aufwertung ihrer Renten für die Jahre 1920 bis 1924. Diesen Herren, wohlgemerkt, hatte der preußische Staat während der ganzen Inflationszeit die Rente bezahlt; in den letzten Jahren war das bezahlte Geld natürlich wertlos, im Jahre 1920 und 1921 aber hatte es noch einen Wert, mit dem man rechnen konnte.

Und was tat das Gericht? Es verurteilte Ende Mai 1928 den preußischen Staat dazu, diesen drei Standesherren ihre Renten vom Jahre 1920 bis 1924 mit vierzig Prozent aufzuwerten und ihnen rund 250.000 Mark auf den Tisch zu legen. Wenn alle die andern Prozesse, die die Standesherren führen, auch so ausgehen, dann muß der preußische Staat 12 Millionen Mark nachbezahlen (abgesehen von der jährlichen Zahlung der jetzt weiterlaufenden Renten).

Wie ist das in unserer Republik, Theobald Tiger? „Wenn einer keine Arbeit hat, ist kein Geld da. Wenn einer schuftet und wird nicht satt, ist kein Geld da. Aber für Reichswehroffiziere und für andere hohe Tiere, für Obereisenbahndirektionen und schwarze Reichswehrformationen, für den Heimatdienst in der Heimat Berlin und für abgetakelte Monarchien — dafür ist Geld da.“

1928, 24 Fritz Lenz