Repräsentation

Die Herren in Frack und gestärkter Brust,
geschniegelt, gebügelt und selbstbewußt,
im Knopfloch die Chrysantheme.
Die Damen in Seide und Krepp-Sateng,
geschminkt und gepudert und, huch, so mongdäng —
mit einem Wort: Crême de la Crême!
Und es tanzen mal rechts und es tanzen mal links,
die Sorgen vergessen habend,
die Müllers, die Löbes, die Severings
auf dem parlamentarischen Abend.

Die Konkurrenz aber erhebt ein Mordsgezeter:
Seht eure sauberen Arbeitervertreter!
Verräter sind es vom Scheitel zur Zeh —
darum hinein in die K.P.D.!

Und wiederum schmeißt sich in Frack und in Lack
das prominente Berliner politische Pack,
denn man schätzt Krestinskis Empfänge.
Dort wird auf silbernen Tellern soupiert,
die mit Sichel und Hammer geschmackvoll verziert,
Und das Essen hat sieben Gänge.
Es hebt der Vertreter vom Sowjetstaat
sein Sektglas und ruft mit Emfase:
Es lebe das kämpfende Proletariat!
Und die Gäste nippen am Glase.

Die Konkurrenz aber erhebt ein Mordsgezeter:
Da habt ihr die Bolschewikenvertreter!
So sieht sie aus, die Sowjet-Idee —
darum hinein in die S.P.D.!

So tobt nun seit Wochen das Pressegeschrei.
Die eine beschimpft die andere Partei
mit gespielter Entrüstungspose.
Doch ob sich Krestinski auf Cocktails versteht,
und ob sich Herr Löbe im Walzertakt dreht,
das, scheint mir, ist Jacke wie Hose.
Denn die Bonzen sind sich überall gleich,
und zeigen das gleiche Bestreben
bei uns und im roten Sowjetreich:
auf dem Rücken der andern zu leben!

Warum also, Prolet, das wüste Gezeter?
Du hast sie gewählet, es sind deine Vertreter!
Und das nächstemal wählst du wie eh und je
wiederum S. oder K.P.D.!

1929, 9 Tyll