Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920

Putschende Freikorps-Truppen der Marinebrigade Ehrhardt riegeln am Berliner Wilhelmsplatz das Regierungsviertel ab. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-J0305-0600-003 / CC-BY-SA 3.0

Text zum 90-minütigen Dokumentar-Fernsehspiel „Die Konterrevolution“, Teil der zehnteiligen Reihe „Vom Reich zur Republik“ des Bayrischen Rundfunks. Drehbuch von Klaus Gietinger und Bernd Fischerauer.

Der Kapp-Lüttwitz-Putsch vom März 1920 ist ein fast vergessenes Kapitel deutscher Geschichte. Zu Unrecht. Denn der Versuch, die erste deutsche Demokratie schon eineinhalb Jahre nach ihrer Entstehung wieder zu ersticken, scheiterte am demokratischen Bewusstsein ihrer Bürger. Das Dokumentarspiel schließt an den Film „Gewaltfrieden“ an und beleuchtet die Umstände, die zum ersten, zunächst erfolgreichen Staatsstreich gegen Weimar führten. Die durch die Novemberrevolution 1918 entstandene Republik war anfangs mehrfach bedroht, am heftigsten im März 1920. Der Versailler Friedensvertrag besiegelte nicht nur die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg, sondern verlangte vom Reich auch Gebietsabtretungen, Reparationen und eine Verkleinerung der Armee. Die alten Mächte des Kaiserreiches empfanden besonders den sogenannten Kriegsschuldparagrafen des Vertrages, der Deutschland die Alleinschuld am Weltkrieg zuwies, als auch die verlangte Auslieferung deutscher Kriegsverbrecher – darunter Kaiser Wilhelm II. und Feldmarschall Hindenburg – als Schmach. Auch die von den Alliierten verlangte Auflösung der sogenannten Freikorps, paramilitärische Verbände, die sich aus den Resten der kaiserlichen Armee zusammengefunden hatten, war nicht im Sinne der Offiziere. Überhaupt fand die parlamentarische Demokratie von Weimar in weiten Kreisen des Militärs, der Hochfinanz, der Industrie, des Adels und des Bürgertums keine Unterstützung. Ein Sturz des Systems lag im Interesse rechtsgerichteter Kreise. So fanden sich Ende 1919 hohe Militärs und andere putschwillige Männer zusammen. Organisiert wurde das vom früheren Freikorpsführer Pabst, der schon die Ermordung Liebknechts und Luxemburgs befohlen hatte. Finanziell unterstützt wurden die Putschisten von Teilen der Industrie und Banken. Aushängeschild war Wolfgang Kapp, ein Ostelbischer Junker und Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Mit von der Partie: General von Lüttwitz, der Freikorpsführer Ehrhardt, dessen Marinebrigade den Putsch ausführen sollte, Canaris, der Adjutant von Reichswehrminister Noske und als verdecktes Mitglied, der preußische Geheimdienstchef von Berger. Im Hintergrund wirkte der ehemalige Weltkriegsgeneral Ludendorff. Unter der Regie von Bernd Fischerauer schildert der Film minutiös den Ablauf des Putsches, der nur fünf Tage dauerte: wie die rechtmäßige Regierung unter Reichskanzler Bauer verjagt wurde, ebenso Reichspräsident Ebert und der gegenüber dem Militär arglose Reichswehrminister Noske, das erzwungene Untertauchen des Finanzministers Erzberger, die ambivalente Haltung der Reichswehroffiziere und der Sicherheitspolizei, die der Regierung den notwendigen Schutz verweigerten. Die Flucht der Regierung, der Streit der Putschisten, ihre erfolglosen Versuche, den festgesetzten Vizekanzler Schiffer zu benutzen und das Ruder Richtung Diktatur herumzuwerfen und zuletzt der Widerstand der Arbeiter, Angestellten und Beamten, die im größten Generalstreik der deutschen Geschichte die Putschisten in die Knie zwangen. Stellvertretend hierfür die Redaktionsleiterin und Frauenrechtlerin Marie Juchacz und Hannah Wölke. Scharfsinnig begleitet wird das Geschehen vom Kunstmäzen Harry Graf Kessler und seinen Schützlingen: der Schauspielerin Tilla Durieux, den Malern und Grafikern George Grosz und John Heartfield. Als der Spuk des Putsches vorbei war, kam es zu Aufständen im Ruhrgebiet. Die Regierung, nach Berlin zurückgekehrt, wurde zwar umgebildet und Noske musste seinen Abschied nehmen, doch die Hochverräter ließ man weitgehend ungestraft, die Aufstände dagegen wurden blutigst niedergeschlagen, zum Teil sogar unter Einsatz und Nutzung der militärischen Schlagkraft der ehemaligen Putschisten. Das Volk hatte sich als demokratisch gesinnt und wehrhaft erwiesen, Armee und Justiz großteils nicht. Eine Gruppe frühfaschistischer Republikgegner konnte sich dagegen in Bayern sammeln. Unter ihnen Adolf Hitler.

Quelle: https://www.br.de/mediathek/video/dokumentarspiel-reihe-vom-reich-zur-republik-die-konterrevolution-der-kapp-luettwitz-putsch-1920-av:58773afa22f7ba0012e23fe9