Wahltag

Wie herrlich ist’s, ein freies Volk zu sehen,
das sich in eignem Namen stolz regiert —
von acht bis fünf — indem es schwarz markiert
die Auserwählten, die auf Listen stehen!

Ha, solches Tun erfüllt die innern Zonen
mit dem Bewußtsein höchsten Menschenwerts;
im Herzen, wo die Hochgefühle wohnen,
dampft es vor Stolz und brodelt es und gärt’s.

Von acht bis fünf regiert das Volk sich selber,
als wüßt‘ es nichts von Pferch und Herdenvieh;
und jeder hält die anderen für Kälber,
und er allein ist klug und ein Genie.

Bis dann um fünf die Urnen sich entleeren
und sich enthüllt als Resultat des Tags:
daß alle alten Herren wiederkehren,
gefolgt von jungen Männern alten Schlags.

Und strahlend ziehen sie vor unsern Augen
und hoch erhaben in das Parlament;
sie haben’s schriftlich, daß sie etwas taugen
und daß man ihre Weisheit anerkennt.

Wir aber atmen auf, beglückt zu wissen,
daß andere des Selbstregierens Last
von uns zu nehmen eifervollst beflissen;
mag nun die Sorgen tragen, wem das paßt —
wir wühlen uns befriedigt in die Kissen.

1928, 22 Mufti Bufti