Die Abfindung

— 5. Jg. 1924, Nr. 39 —

Die Hohenzollern, denen es bekanntlich sehr schlecht geht, führen einen Rechtsstreit, um von der deutschen Republik eine Jahresrente von 1 1/2 Millionen herauszuschlagen. Sie glauben einen berechtigten Anspruch darauf zu haben, daß das Volk, das sie in die Tinte geritten haben, dafür auch ordentlich bleche. Damit sie standesgemäß weiterleben können. „Standesgemäß“, d. h. wie es ihnen paßt, vor allem aber ohne durch das entwürdigende Mittel der Arbeit das tägliche Brot herbeischaffen zu müssen.

1 1/2 Millionen sind für die vielköpfige Familie (Gottes Segen lag ja immer aus dem Hause Hohenzollern — wenigstens in puncto Fruchtbarkeit) vielleicht nicht sehr viel. (Wie sie’s nun mal zu treiben gewöhnt sind.) Immerhin liegt ein derartiges Einkommen einige Grade über dem Existenzminimum. Man kann schon mit viel weniger auskommen, wenn es sein muß. Da hat z. B. erst vor kurzem Berlin der verarmten Tochter des großen Chirurgen Virchow, der Ehrenbürger der Stadt war, eine widerrufliche Monatspension von 225 Goldmark bewilligt. Nun, Virchow hat ja auch nur für die Erhaltung von Menschenleben gearbeitet; diese Tätigkeit steht weniger hoch im Kurs als die andere: Menschen zu Millionen in den Tod zu hetzen. Es ist also recht und billig, wenn die Hohenzollern, die alles in allem an die fünfzig Leute sind, ein paar hundertmal mehr bekommen.

Hoffentlich, so muß man sich sagen, verfällt nicht diese Republik auf die Idee, nach dem bismärckisch-hohenzollernschen Prinzip, das bei der Einverleibung des Königreichs Hannover durch Preußen zur Anwendung gebracht worden ist, das Eigentum der verflossenen „Herrscher“ einfach für verfallen zu erklären und aus Gnade eine mäßige, bescheidene Abfindung zu schenken. Denn wovon wollten dann die armen Leute die Propaganda für ihre Wiedereinsetzung bezahlen?

Ix