Der Feind steht rechts, der Gegner links.
Friedrich Naumann
— Jg. 1933, Nr. 8 —
Es ist schon tragisch, daß man dem Proletariat heute das predigen muß, was ein bürgerlicher Politiker vor etwa 25 Jahren gesagt hat, also zu einer Zeit, wo es noch keinen Fascismus gab, und unter einem System, das man am heutigen gemessen beinahe „parlamentarisch“ nennen könnte.
Man kann in gewissem Sinne von einer ,.dialektischen“ Tragik reden. These: Die gesamte Lage erfordert gebieterisch die proletarische Einigung. Antithese: Diese Einigung ist für den Augenblick unmöglich.
Wenigstens, wenn man darunter auch nur ein noch so loses Kartell zwischen SPD und KPD in Deutschland versteht. Denn die deutsche KP untersteht nun einmal — das ist kein Vorwurf sondern eine Konstatierung — in allen wichtigen Entscheidungen den Weisungen des „Ekki“, des Exekutivkomitees der III. Internationale, und so wie die Dinge liegen, würde sie auch von ihrem Partner verlangen, daß er sich diesen Beschlüssen unterwidt. Tut er es nicht, so ist das Kartell schon ohne weiteres gesprengt. Soweit hat Otto Bauer ganz recht, wenn er verlangt, daß zunächst einmal die beiden Internationalen von Amsterdam und Moskau zu einem Einvernehmen kommen müssen […]
An Aufmärschen der „Eisernen Front“ haben sich Kommunisten in geschlossenen Abteilungen beteiligt, und das Gleiche ist umgekehrt geschehen. Bei Beerdigungen sind schon beide Formationen überhaupt gemeinsam marschiert. Geschmacklose Ausdrücke wie „Kozi“ oder „Sozialfascisten“ kommen kaum noch vor und werden eigentlich nur noch von Parteijournalisten gebraucht, die die Stimmung der Massen nicht kennen oder nicht kennen wollen. Im übrigen werden sie von den Lesern allgemein mißbilligt.
Und so wäre alles in schönster Ordnung, wenn — ja wenn nicht die Tatsache bestände, daß SPD und KPD das gleiche Wählerreservoir haben, um die gleiche Wählerschicht kämpfen müssen. Und da muß einmal Fraktur geredet werden: Wie sich diese Wählermassen, die zwischen SPD und KPD schwanken, diesmal entscheiden werden, wissen wir nicht. Es ist aber gegenüber der fascistischen Gefahr und angesichts der kümmerlichen Rolle, die das kommende Parlament überhaupt spielen wird, wirklich ganz gleichgültig, welche der proletarischen Parteien der anderen ein halbes oder selbst ein ganzes Dutzend Mandate abnehmen wird.
Wichtig ist einzig und allein, daß die antifascistische Front steht, innerhalb und außerhalb des Parlaments.
1933, 8 · Dr. E.