Wir sind vom Krieg zum Frieden gekommen. Wir haben zwangsläufig die Monarchie mit der Republik vertauschen müssen. Der „Vaterländische Unterricht“ wird als Propaganda für die „deutsche Kultur“ weitergeführt. Die Durchhalte-Parole hat dem Aufbaugestammel weichen müssen. Die Kriegsberichterstatter sind als Friedensberichterstatter nicht minder verheerend tätig, soweit sie nicht damit beschäftigt sind, für irgend einen Fürsten Memoiren zu schreiben. Die vaterländischen Kreise sind fieberhaft beschäftigt, die Folgen ihrer Vaterlandsliebe abzudämmen. Ihr Kapital hat sich reibungslos ins Ausland verflüchtet, sie selber sind uns erhalten geblieben. Der Arbeiter hat bereits um die „Errungenschaft“ des Achtstundentags zu kämpfen.
Für die Republik liegt nach all dem absolut keine Veranlassung vor. Sie ist für die Mehrzahl der Deutschen doch nur ein Geduldspiel. Regimentsfeiern allein machen auf die Dauer auch nicht glücklich. Es ist zwar so wunderschön, von hohen Offizieren den Geist der bekannten Kameradschaftlichkeit predigen zu hören, und so urdeutsch, sich daran besoffen zu machen; auf die Dauer befriedigt es nicht. So wahr wir nie für die Republik reif waren, für die Monarchie sind wir es.
Wer es nicht glaubt, sehe sich gefälligst um. Aus irgend welchen Gründen hat man es 1918 unterlassen, „Rührt euch!“ zu befehlen. Folge: alle stehen noch stramm. Es ist weltfremde Phantasterei, mit solchem Material eine Demokratie zu etablieren. Will man es trotzdem, dann kräftig zupacken. Laßt es euch nicht mehr gefallen, daß in Deutschland in allen Lebenslagen der Unteroffizier herrscht und der „Untertan“ jede freie Aussicht auf eine bessere Zukunft versperrt. Ihr dürft das einfach nicht mehr erträglich finden; rührselige Toleranz ist nicht mehr am Platz. Es heißt jetzt: entweder oder. Entweder geht das bischen freie Menschenwürde vollends zum Teufel und es herrscht in Deutschland wieder uneingeschränkt der preußische Kommisgeist, der das ganze Leben zum Exerzierplatz macht, auf dem der Militarismus seine Parade abhält. Dann kann man zu dem großen Heer der ungekrönten Herrschenden und dem noch größeren der Untertanen ganz ruhig auch seine geliebten Fürsten zurückholen. Oder -: man gibt diese verzweifelte Sippschaft der Lächerlichkeit preis und nimmt sie nicht mehr so ernst wie seither.
Seht sie doch an! Wieviel Wilhelms in Westentaschenformat, jeder dritte Zoll von Gottes Gnaden. Solche Aufgeblasenheiten kann es nur in Deutschland geben. Nur in einer deutschen Republik ist es möglich, daß den groteskesten Witzblattfiguren immer noch die größte Hochachtung entgegengebracht wird. Wie sie doch alle obenauf sind und sich trotz ihrem Geschrei wohl fühlen, alle die Herrscherchen, denen der Vorgesetzte in den Knochen steckt, mit dem Schutzmannsgeist und dem Unteroffizierston. Die sich vor Einbildung überschlagen, so bald sie ein Bockleiterehen erklommen, irgend ein Positiönchen sich ergattert haben. Wie sie da geschwollen von ihren „Leuten“ sprechen, den Zollstab schwingen, als gäbe es Provinzen zu verwalten. Wie sie hinter Schaltern in fabelhafter Würde und Unnahbarkeit das Publikum „abfertigen“. Wie noch in übelster Manier auf „Untergebenen“ herumgeritten wird, wo es längst nur Mitarbeiter geben sollte.
Seht sie euch genau an!
In den Fabriken, den Werkstätten und Büros, bei den Kuhbauern auf dem Lande wie in Ministerien, überall dasselbe Bild. Wundert man sich, daß hier eine Republik auf Widerstand stößt?
Welche stolzierende Hoheit kleiner Abteilungsvorsteher, welcher Vorgesetztenfimmel bei Vorarbeitern!
Welche dummdreisten Überheblichkeiten in Amtszimmern, Kontoren und Werksälen!
Entlarvt sie um Gotteswillen endlich! Sie sind ja alle nur möglich, weil die andern Untertan spielen und stramm stehen, wo sie sich das Kasperltheater verbitten sollten. Habt doch keinen solchen Heidenrespekt mehr vor einer drohenden Amtsmiene oder einem Feldherrenblick von einem Drehstuhl herab! Es steckt ja gar nichts dahinter, wie hinter der ganzen famosen Monarchie nichts gesteckt ist.
Die Republik darf nicht an diesem falschen Respekt zu Grunde gehen. Sie ist drauf und dran, es zu tun. Ein reaktionärer, bornierter Landrat gilt heute immer noch mehr als ein demokratischer Minister. Alle die eingebildeten Größen bis herab zum Schutzmann fühlen sich als Platzhalter der Monarchie.
Soweit es sich um Beamte der Republik handelt, sollte man gründlich säubern, aber bitte, ohne Pension! Die Andern stelle man an den Pranger, wo man kann. Die Kommis-Visage und die blöde Untertanenphysiognomie gehören nicht in eine Republik.
Ich fürchte nur, es geht nicht so schnell. Man findet zuweilen selbst bei guten Republikanern ein fast zu rührendes Verständnis für die Schwächen der Gegenseite. So werden wir schon noch eine Zeit lang eine gehemmte Monarchie sein.
Hermann Mauthe