Frau Momm

— Jg. 1930, Nr. 12 —

Ihr Mann ist in Potsdam Regierungspräsident,
Justizrat ist ihr Herr Schwager,
ihr Schwiegersohn gar ist Ministerialdezernent
aus mächtig feudalem Lager.
Wie Sie sehen, gehört die gute Frau Momm
zu den allerbesten Kreisen.
Die Dame ist überdies kolossal fromm,
so fällt es nicht schwer, zu beweisen,
daß sie das mit dem fraglichen Silbergeschirr
nicht aus gemeinen Motiven gemacht,
sondern weil sie nervös, überreizt und irr …
Eine Strafverfolgung kommt nicht in Betracht.

Klassenjustiz? Aber erlauben Sie mal!
Die Dame ist krank und gehört ins Spital.
Und weil ihr Fall nicht der Tragik entbehrt,
ist sie unseres höchsten Mitgefühls wert.

Und dann ist da noch der Fall Marie Schmidt,
der lang nicht so interessant ist,
weil nämlich ein einfaches Dienstmädchen mit
so vornehmem Volk nicht verwandt ist.
Im Gegenteil, diese Frauensperson
gehört zu den unteren Schichten.
Im Monat verdient sie dreißig Mark Lohn,
und mit ihr macht man nicht lang Geschichten.
In ihrem Fall heißt es einfach: sie stahl!
Und darauf steht Kittchen im Deutschen Reich.
Für Arm und für Reich, das ist völlig egal,
denn vor dem Gesetz sind wir alle gleich.

Klassenjustiz? Aber erlauben Sie mal!
So eine Person! Das ist ein Skandal.
Klar, daß die da ins Kittchen gehört,
so eine ist unserer tiefsten Verachtung wert.

1930, 12 Tyll