— Jg. 1927, Nr. 11 —
Kaufen Sie Schultheiß-Patzenhofer! Steigen Sie ein, ehe es zu spät ist! Sie riskieren nichts, Sie werden mir dankbar sein!
Unbekannt, sagen Sie? Also Sie wissen nicht, daß die vereinigten Brauereien von Schultheiß und Patzenhofer in Berlin — vor zwanzig Jahren waren sie noch scharfe Konkurrenten — heute die größte Brauerei Europas sind? Drei Millionen Hektoliter Bier, oder — Bier gibt Mark! — 120 Millionen Mark sind im letzten Geschäftsjahr umgesetzt worden. Dividendenbrühe, mein Lieber! Im laufenden Jahr, unter einer nationalen Regierung, muß das Ergebnis noch ganz anders ausfallen!
Die Biersteuer? Nee, da täuschen Sie sich aber ganz gewaltig. Ihr gedachtet es böse zu machen, heißt es da, — wir aber haben’s gut gemacht, Stimmt schon, daß die Biersteuer am 1. Januar um zwei Mark pro Hektoliter erhöht worden ist. Aber die zahlt doch nicht Schultheiß-Patzenhofer, was meinen Sie denn, die zahlt unser lieber deutscher Biertrinker, unser wackeres Volk, auf das immer noch Verlaß ist. Und noch einmal zwei Mark für die Firma dazu, denn die hat am 1. Januar natürlich nicht um zwei Mark, sondern gleich um vier Mark aufgeschlagen; also sozusagen ihrerseits die Biersteuer verdoppelt. So macht’s der Geschäftsmann! Man muß seine Kunden kennen! Das deutsche Volk ist das beste Volk der Welt, wenn Sie das noch nicht gewußt haben.
Zurückgehen, der Bierkonsum? Wird er nicht, wird er garantiert nicht. Wir haben doch jetzt eine nationale Regierung, nicht zu vergessen. Und wenn der Lebenshaltungsindex steigt, dann steigt auch der Bierkonsum. Kennen Sie dieses nationalökonomische Gesetz denn noch nicht, Sie Ahnungsloser? Jawohl, der Weinkonsum geht zurück, da haben Sie recht — trinkt deutschen Wein! — , aber dafür steigt ja gerade der Bierkonsum. Haben Sie schon einmal einen Arbeitslosen Wein trinken sehen? Bier? Na, also!
Ganz recht, Schnaps auch. Aber deshalb hat Schultheiß-Patzenhoter ja Kahlbaum in sich aufgenommen und mit den Ostwerken eine Interessengemeinschaft. Und der Konzern Schultheiß-Patzenhofer-Ostwerke verfügt nicht bloß über Brauereien, Hefe- und Malzfabriken, Schnapsfabriken und sogar Sektkellereien, sondern auch über Mühlen, Zementfabriken, Glas-, Maschinen- und (hm) chemische Fabriken. Also seien Sie beruhigt. Da muß ja ein Geschäft herausspringen. 15 Prozent Dividende sind das Mindeste, worauf ich wette.
Es widerstrebt Ihnen, Geld von Arbeitslosen und überhaupt am Alkoholkonsum des deutschen Volkes zu verdienen? Aber hören Sie mal, Sie stammen wohl vom Monde? Sie sind wohl Idealist? Sozialist, was?
Ich will Ihnen was sagen: Sie getrauen sich einfach nicht, das ist alles. Sie wollen nichts riskieren. Schämen Sie sich. Gott, wenn unser braves Volk aus lauter solchen Schlappschwänzen bestünde! Ober, noch ein Helles!
1927, 11 Kazenwadel