Nur für Herrschaften

— Jg. 1929, Nr. 34 —

Vor einigen Wochen haben ein paar russische Flieger auf einem Europarundflug auch in Rom einen Besuch gemacht und sind dort festlich empfangen worden: Begrüßung mit Fascistengruß und Händedruck, Reden, Gelage und was so dazugehört. Diese „Verbrüderung zwischen Bolschewisten und Fascisten“ war natürlich für die sozialdemokratischen Zeitungen ein gefundenes Fressen. In der ganzen Welt rufen die Kommunisten zum Kampf gegen den Fascismus auf, aber in Rom lassen sich bolschewistische Flieger von Mussolini und seinen Anhängern feiern und bejubeln — das war ein so augenfälliger Gegensatz, daß die Sozialdemokraten unmöglich ihren Spott zurückhalten konnten; und ihr Spott war ja ganz berechtigt.

Aber kaum war das Propellergesurr der bolschewistischen Flugzeuge über Rom verklungen, da erschienen in Kiel italienische Kriegsschiffe. Die Besatzung wurde von den Kieler Behörden festlich empfangen: Begrüßung mit Händedruck, Reden, Gelage und was so dazu gehört. Der Oberpräsident von Schleswig-Holstein lud die fascistischen Offiziere zu einem Bankett in ein Hotel ein und sprach dabei vor seinen Gästen von der „Freundschaft des deutschen Volkes, das, wenn es einmal erkennt, daß eine Hand ihm in Freundschaft dargeboten wird, diese Hand ergreift und herzlich drückt“. Der also geredet hat, war kein Anhänger Hugenbergs, sondern ein Sozialdemokrat, Kürbis mit Namen.

Während er sich bei Wein und Braten mit den fascistischen Offizieren verbrüderte, sammelten sich vor dem Hotel Arbeitslose und brachen in die Rufe aus: Nieder mit dem Fascismus! Wir haben Hunger! Gebt uns Arbeit und Brot! Aber gegen Arbeitslose hat ja ein sozialdemokratischer Oberpräsident ein wirksames Mittel: den Gummiknüppel. Die Polizei „säuberte“ also den Platz vor dem Hotel und zeigte so den tafelnden Fascisten, daß man auch in Deutschland mit dieser Waffe umzugehen weiß. Haben die kommunistischen Zeitungen nicht recht, wenn sie schreiben: „S.P.D. feiert fascistische Offiziere“, und mit Spott und Empörung über die Sozialfascisten herziehen? Doch, sie haben recht.

Aber nur drei Tage lang. Denn kaum war der Rauch der italienischen Kriegsschiffe am Horizont verschwunden, da traf in Pillau ein sowjetrussisches Geschwader ein und wurde feierlich empfangen: Begrüßung mit Händedruck, Reden, Gelage und was so dazugehört. Ein deutscher Seeoffizier sagte in seiner Begrüßungsansprache u. a.: „Es ist mir eine besondere Freude, Ihnen, Herr Kapitän Smirnow, meinen Glückwunsch zu dem vorzüglichen Aussehen der Torpedoboote „Lenin“ und „Rykow“ und zu der tadellosen Haltung Ihrer Mannschaften zum Ausdruck zu bringen. Wir teilen die Freude der Sowjetregierung an den Erfolgen der Aufbauarbeit auch Ihrer Flotte.“ Und in Berlin, wo für den russischen Konteradmiral noch ein besonderer Empfang veranstaltet wurde, brachte ein deutscher Admiral ein Hoch auf die Sowjetflotte und die Völker der Sowjetunion aus und wünschte der Sowjetunion „zum Ausbau ihrer Seeschiffahrt vollen Erfolg“.

Diese „Verbrüderung“ der deutschen und der russischen Offiziere ist natürlich von den sozialdemokratischen Zeitungen wieder zur Verspottung der Kommunisten, deren russische Bundesgenossen mit deutschen Offizieren tafeln, benützt worden. Und haben sie nicht recht?

Doch, sie haben natürlich recht. Es haben beide recht: die Sozialdemokraten und die Kommunisten. Leider aber hört man von ihrem Spott immer nur dann etwas, wenn gerade die andere Partei sich einen Verstoß gegen das „proletarische Empfinden“ hat zuschulden kommen lassen.

1929, 34 Jan Hagel