— Jg. 1928, Nr. 23 —
Man nehme die zur Verfügung stehende Menge sozialdemokratischer Regierungssehnsucht und vermenge sie tüchtig mit deutschvolksparteilicher und großindustrieller Fähigkeit im Machtausüben (wobei eine Dosis zentrümlicher Schläue als Bindemittel gute Dienste tut), gieße einige Tropfen demokratischen Öls darüber und lasse das Ganze über Nacht stehen.
Am andern Morgen mische man eine Menge kultureller Rückschrittlichkeit und konfessionellen Machtstrebens (beides wird vom Zentrum gerne geliefert) mit etwas sonntäglichem Kulturliberalismus (nur echt in Paketen mit den Aufschriften Bäumer oder Stresemann) und einer möglichst kleinen Dosis sozialdemokratischer Freigeistigkeit, gebe auch noch einige Fähigkeit zum Kompromissein (man achte auf die Schutzmarke Sollmann!) und etwas demokratische Einheitsstaatsgelüste dazu und rühre alles mit dem Teig vom vorigen Abend tüchtig durcheinander, wobei man fortwährend Zollschutzanhänglichkeit, industriellen Imperialismus, Trustpolitik, vorsichtig gemischt mit Völkerbunds- und Kriegsächtungsgerede und sozialdemokratischem Verantwortungsgefühl und Sinn für Taktik, darüber gießt. Falls der Teig nicht aufgeht, empfiehlt sich etwas Tinte aus dem Büro des Reichspräsidenten als Trieb. Die Zugabe einer Quantität arbeiterfeindlicher Schiedsgerichtsbarkeit macht den Kuchen (besonders nach dem Geschmack besserer Herrschaften) bekömmlicher.
Nachdem man den Teig noch einige Stunden hat stehen lassen, tut man ihn 20 Minuten lang in einen mäßig warmen Ofen, garniert dann mit Schlagsahne, die aus Phrasen wie Volksgemeinschaft, Gewinnung der Arbeiter für den Staat, Erziehung der Sozialdemokraten zu verantwortungsvoller Mitarbeit und anderen hergestellt wird, und serviert den Kuchen der Großen Koalition dem dankbaren Volke.
Postskriptum: Der Kuchen hat den Vorteil, daß er nicht altbacken wird. Er reicht mindestens zwei Jahre lang für sämtliche Mahlzeiten eines genügsamen Sechzigmillionenvolkes.
1928, 23 · Hans Lutz