Die gerettete Uniform

— Jg. 1925, Nr. 37 —

Herr von Hindenburg, der bisher nur Besuche empfangen und gemacht hat, ist aktiv geworden: er regiert. Er hat seine erste Amtshandlung begangen: er hat die Verordnung aufgehoben, durch die den ehemaligen Offizieren Wilhelms das Recht, die Uniform zu tragen, beschnitten worden war.

Ein Merkmal: gewogen und zu leicht befunden! In dieser Zeit, da wieder einmal die Not im Volke steigt, bringt es dieser „Repräsentant des Volkswillens“, dieser so marktschreierisch angepriesene „Retter“ fertig, seine erste Amtshandlung dem Maskeradenbedürfnis seiner ehemaligen Berufsgenossen zu widmen. Dazu haben wir offenbar einen Präsidenten der Republik, daß er sich zu allererst mal um die Neuaufbügelung der wilhelminischen Livreen verdient macht!

Notabene: die gesetzmäßige Regelung dieser Uniformfrage durch den Reichstag stand bevor. Aber die alten Offiziere haben sich wohl mit Grund gesagt, daß die Volksvertretung ihnen den gewünschten Freibrief, das Recht, ihre Livree nach Belieben zu tragen, nicht erteilen würde. Da mußte sich der gute Hindenburg in den Reichstagsferien schnell der Sache annehmen und das Parlament vor ein fait accompli stellen.

Und der „demokratische“ Herr Wehrminister Geßler, der den Ukas gegenzeichnen mußte, hat sich also auch dazu hergegeben, der Entscheidung der Volksvertreter vorzugreifen.

Es ergeben sich zwei Fragen: Läßt sich der Reichstag das gefallen? Und: Wie lange will sich die Deutsche demokratische Partei noch mit diesem Herrn Geßler blamieren? Wann wimmelt sie ihn ab und spediert ihn, unter Verabreichung eines Freibillets nach deutschnationalen Gegenden, hinaus?

Und Herr Hindenburg? Auf einem Apfelbaum wachsen nun einmal keine Zwetschgen. Mag er noch so viele pazifistische Töne tönen und volksberuhigende Worte säuseln, die man ihm eingelernt hat, – er bleibt doch der er war. Die geliebte Uniform, die er in seiner jetzigen Dienststellung leider nicht mehr so oft spazieren tragen darf wie früher, seinen alten Kollegen zurückzugeben, ist ihm Herzenssache.

Die Kriegskrüppel aus dem Mannschafts- und Unteroffiziersstand dagegen müssen nach wie vor im schäbigen Zivil rumlaufen. Es wäre für die deutsche Öffentlichkeit und den einzelnen gutgesinnten Deutschen ja auch zu peinlich, auf Schritt und Tritt durch den Anblick Gelähmter, Hinkender, Einarmiger, Einäugiger, Hustender, Nervenzitternder in Uniform daran erinnert zu werden, daß diese Unzähligen, die ein Teil ihrer selbst für Deutschland hingegeben haben, von ihrem lieben Vaterland mit einem Bettelpfennig abgefunden werden.

Da erlaubt man lieber denen, die — als Gesunde! — ihre auskömmliche Pension bekommen, in Blau, Rot, Achselstücken und Sporen zu paradieren. Der Anblick ist erfreulicher.

1925,37 · Ix

Je kleiner der vaterländische Wille, je größer die nationale Geste; patriotische Feiern sind entschieden leichter durchzuführen als Vermögensabgaben.

1923, 9 · Hermann Mauthe